Badische Zeitung

Zeitgemäßer Nahverkehr: Auch Gutes kann noch verbessert werden
von Frank-D. Passlick (BZ vom 29.09.2000)



Mit Bahn und Bus durch die Ortenau - ein Erfahrungsbericht

Da soll noch einer sagen, die Bahn sei unpünktlich: Ich strebe bereits als einer unter vielen Fahrgästen, die den RegionalExpress Konstanz - Offenburg heute Abend benutzt haben, dem Treppenabgang des Bahnsteigs zu, als der Minutenzeiger der Bahnhofsuhr deutlich hörbar auf die fahrplanmäßige Ankunftszeit 19.20 Uhr umspringt. Auf meiner Fahrt von Gengenbach nach Rammersweier mußte ich in den vergangenen Jahren nur selten gravierende Verspätungen erleben, wenn ich in Offenburg den Zug verließ, um von der Bahn auf den Bus zu wechseln. Seit der Inbetriebnahme des neuen Busbahnhofs (ZOB) mit dem Fahrplanwechsel im Mai sieht der Umsteiger allerdings die Schlüsselbusse nur noch von hinten, denn auch diese fahren sehr pünktlich ab. Wie schon den ganzen Tag über zur Minute 20 verteilt sich ein Pulk von Bussen genau um 19.20 Uhr in alle Richtungen. Und so kann ich den modernen Stadtbus der Linie S1, der mir einen Fußmarsch von 25 Minuten hätte ersparen können, besetzt mit wenigen Fahrgästen die Unionsrampe hinauf fahren sehen. Der Taktverkehr und die vielfältigen Umsteigemöglichkeiten am ZOB sind ein guter Ansatz für ein benutzerfreundliches Angebot, von der Ideallösung, dem vom baden-württembergischen Verkehrsministerium gepriesenen integralen Taktfahrplan, ist heute allerdings beim Übergang zwischen Bahn und Bus noch nicht viel zu erkennen.

Natürlich gibt es im komplizierten Fahrplangeflecht auch viele Beispiele für tadellose Übergänge: Einstieg um 17.41 in den Stadtbus S5 an der Haltestelle tesa-Werke - Ankunft um 18.24 Uhr in Wolfach nach zeitlich optimiertem Umstieg am Bahnhof Offenburg und in Hausach. Diese schnelle Verbindung wird möglich, da der Triebwagen von Hausach nach Freundenstadt auf die Umsteiger aus dem Interregio Hamburg - Konstanz wartet, unter ihnen der Laborant von Tesa auf seiner Heimfahrt. In Schiltach wiederum, einem der zwei Kreuzungsbahnhöfe auf der oberen Kinzigtalbahn, wartet der Gegenzug von Freudenstadt nach Hausach planmäßig fünf Minuten lang auf den Triebwagen aus Hausach. Nach erfolgter Begegnung ist die eingleisige Strecke frei für die Weiterfahrt mit Anschluss auf der Schwarzwaldbahn nach Offenburg. Und dieser Anschlusszug Richtung Offenburg erreicht sein Ziel durch die Wartezeit des Triebwagens in Schiltach erst um 19.20 Uhr. Und deswegen muss ich jetzt nach Rammersweier laufen...

TGO-Netzkatze Die Alternative zu meinem Fußmarsch steht an der großen Anzeigetafel des ZOB: "S1 Rammersweier / Zell-Weierbach 19.50 Uhr". Es fährt also noch einer, der letzte Stadtbus S1 an diesem Tag. Viele Buslinien und Züge im Ortenaukreis fahren tagsüber im Stundentakt, in den Hauptverkehrszeiten teilweise auch jede halbe Stunde. Der Taktfahrplan ist einprägsam und für den werktäglichen Berufsverkehr eine gute Alternative zum Auto. Dessen vielbeschworene Freiheit bleibt doch gerade im Stadtverkehr stark eingeschränkt. Anstatt vieler Parkscheine löse ich da lieber eine Dauerkarte, "Ortenaukarte - Netz TGO" steht darauf. Trotz der letzten Preissteigerung leiste ich sie mir jeden Monat neu und genieße die Freiheit eines Fahrscheins für 1861 Quadratkilometer Ortenaukreis: Ob Bus oder Regionalexpress, Ortenau-S-Bahn oder Interregio (seit 10.06.01 nicht mehr nur zwischen Offenburg und Hornberg), für mich als Berufspendler, aber auch als Nutzer des ÖPNV in der Freizeit ein ideales Angebot.

Auch die im öffentlichen Nahverkehr eingesetzten Fahrzeuge gewinnen an Attraktivität. Zwar entsprechen viele der von DB-Regio auf der Schwarzwaldbahn eingesetzten Silberlinge nicht mehr den heutigen Ansprüchen, aber die bestellten Doppelstockwagen für die Regionalexpress-Züge nach Basel werden derzeit ausgeliefert. Auch die modernisierten Fahrzeuge auf der Rheintalstrecke Richtung Karlsruhe zeigen, dass mit altem Eisen in neuer Ausstattung noch einige Jahre überbrückt werden können. Mit den neuen Regio-Shuttles der Ortenau-S-Bahn wird zu Recht für zeitgemäßen Nahverkehr geworben. Allerdings kann auch Gutes noch verbessert werden: Die sportlichen Sitze sind für besonders große Fahrgäste ungeeignet, allerdings finden in den Hauptverkehrszeiten sowieso nicht alle einen Sitzplatz. Auch die fehlende Toilette kann Probleme aufwerfen...

Während Lokomotiven und Wagen nach über 30 Dienstjahren auf den Schienen durchaus noch anzutreffen sind, werden im Linienbusverkehr vielfach hochmoderne Fahrzeuge, teilweise auch mit alternativen Antriebssystemen, eingesetzt.

Einige Wünsche der Fahrgäste (oder solcher, die es werden könnten), gilt es noch zu erfüllen. Besonders Gelegenheitsnutzer des ÖPNV sind durch die unterschiedlichen Tarifangebote (Deutsche Bahn, Verbundtarife usw.) überfordert. Die Automaten sind inzwischen vereinheitlicht und intelligent geworden, Beratungsbedarf bleibt trotzdem. Das gedruckte Fahrplanangebot für die Offenburger Schlüsselbusse ist sehr gut, ebenso die Gebietsfahrpläne des Tarifverbunds TGO mit gemeinsamen Tabellen für Bus und Bahn - aber an den Fahrkartenschaltern der DB sucht man sie oft vergeblich. Die Zonen- und Linienpläne sind gut strukturiert, was fehlt sind Offenburger Stadtpläne mit eingezeichneten Haltestellen und chronologische Fahrpläne für die Bündellinien in der Innenstadt. Seit der Aufgliederung der Deutschen Bahn in Teilunternehmen und der Bedienung von Bahnstrecken durch Privatunternehmen steht der Reisende oft vor dem Problem, dass der richtige Ansprechpartner nicht gefunden wird.

Auf meinen fast täglich befahrenen "Hausstrecken" genieße ich jedenfalls ein öffentliches Verkehrsangebot, das sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt hat. Für die Fahrt von der Arbeit nach Hause kann ich am Nachmittag und Abend zwischen über zehn Fahrtmöglichkeiten wählen - 1985 waren es vier Verbindungen.


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