Archiv 1998

Ein Kommentar zum Wegfall der Kinderermäßigung bei der Nutzung der TGO-Punktekarte zum 1. Januar 1999

Offenburg, im Dezember 1998

Der Ortenaukreis mit seinem Tarifverbund TGO ist seit Januar dieses Jahres zum bundesweiten Musterbeispiel für eine familienfeindliche Tarifgestaltung geworden. Attraktiv waren die ÖPNV-Angebote für Familien seit dem Inkrafttreten des Gemeinschaftstarifs für den Tarifverbund Ortenau auch bisher nicht. Was den Benutzern von Bussen und Bahnen an weiteren Belastungen häppchenweise zugemutet wird, steht im krassen Widerspruch zu den politischen Bekenntnissen und dem Werben für den öffentlichen Nahverkehr. Mit Beginn des Jahres 1999 entfiel, so die neuen TGO-Tarifbedingungen, die Kinderermäßigung bei der Nutzung der Punktekarte. Schon bisher war die Regelung für Kinder zwischen 4 und 11 Jahren eher halbherzig: für diese Altersgruppe wird zwar nach dem Gemeinschafttarif eine Ermäßigung von 50% gewährt, was aber bei der Benutzung der Punktekarte nicht konsequent umgesetzt wurde. Während Erwachsene für die Fahrt von Gengenbach in die Kreisstadt drei Punkte zu entwerten haben, mußten bisher für Kinder zwei Punkte abgestempelt werden. Das entsprach einem Fahrpreis von DM 1,80  bis Dezember 1998 und, durch Wegfall der Kinderermäßigung bei gleichzeitiger Tariferhöhung, DM 3,00 ab Januar 1999. Ein Kind aus einer Familie mit mehr als zwei Kindern wurde auf der selben Strecke bis Januar des Jahres 1998 von der Deutschen Bahn AG für 75 Pfennig befördert. Aber seit dem 1. Februar 1998 verlor die BahnCard, und damit auch der "Würmelingpass" für kinderreiche Familien, seine Gültigkeit in der Ortenau.

Was hat die Verantwortlichen zu einer verantwortungslosen Änderung der Tarifbestimmungen bewogen? Begründet wird die Maßnahme des Wegfalls der Kinderermäßigung mit "Abrechnungsproblemen" im Schülerverkehr. Das Landratsamt hatte zum Beginn des Schuljahrs 1998/99 die Elternanteile für die Schülermonatskarten durch Änderung der Satzung über die Erstattung notwendiger Schülerbeförderungskosten drastisch erhöht, wodurch die Akzeptanz der Schülermonatskarten deutlich verringert wird. Die Eltern reagieren darauf durch den Kauf von Punktekarten und "alternativen" Beförderungsmodellen: Eine Familie aus Gengenbach, deren vier Kinder eine Offenburger Schule besuchen, bezahlt für die 25 Schultage zwischen den Sommer- und Herbstferien DM 416 für den Kauf von TGO-Schülermonatskarten. Nach DB-Tarif (zwei der vier Kinder unter 12) hätten die Fahrten sogar mit Einzelfahrscheinen nur DM 225 gekostet. Jetzt werden die Kinder zum gemeinsamen Schulbeginn mit dem Auto zur Schule gefahren und zur Heimfahrt mit Punktekarten ausgestattet. Anstatt die Tarife und Bedingungen im Bereich der Schülerbeförderung zu verbessern - ein Blick über die Kreisgrenzen nach Freiburg und Karlsruhe zeigt hervorragende Beispiele - wird der Fahrpreis für Kinder heraufgesetzt. Die Bezeichnung "Umwelt- Punktekarte" wird damit für Eltern mit Kindern ein Hohn.

Frank-D. Paßlick

 

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