Schalter zu
"Allrounder" nicht mehr gefragt? (2)
 

Kapitel 2 beschreibt die Folgen für den Bahnkunden

Für den Bahnkunden ist es letzlich gleichgültig, ob jemand nicht mehr will oder nicht mehr darf. Die Folgen der künstlichen Mauer, die zwischen die Unternehmensbereiche des Konzerns DIE BAHN betoniert wird, führen zu Einschränkungen der Qualität des Gesamtangebots. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob man als Kunde am Bahnhof im Wochendurchschnitt 13 Stunden pro Tag einen Ansprechpartner der Bahn findet, oder nur noch 5 Stunden und 10 Minuten!

 
Öffnungszeiten in Gengenbach
 
Öffnungszeiten in Gengenbach
unten neu: Dominanz der Schließzeiten
 

Nehmen wir das Beispiel Gengenbach. Bis zum 31.12.2001 war die Welt zumindest am Bahnhof noch in Ordnung. Zwar gab es seit dem 01.05.2000 eine Mittagspause - sie sei vergönnt - es verblieben aber immerhin noch 91 Stunden pro Woche, in denen Fahrkarten am Schalter erworben oder bestellt und auch Auskünfte eingeholt werden konnten. Das Angebot am Wochenende unterschied sich kaum von den anderen Tagen. Im Durchschnitt hatte DIE BAHN an 13 Stunden pro Tag ein menschliches Gesicht.

Das neue Schild am Bahnhof offenbahrt es: Der "Hinauswurf" der Fahrdienstleiter aus der Schalterbedienung wirkt sich dramatisch aus. Die Öffnung des Schalters ist nun die Ausnahme, nicht mehr die Regel!

Besonders interessant ist aber nicht nur die Länge (besser: Kürze) der Öffnungszeiten des Fahrkartenschalters, sondern die Öffnungszeiten an sich. Die verbliebene "Kernöffnungszeit" liegt nicht gerade in der Zeit starker Nachfrage. Der Berufspendler ist gezwungen, sich einen halben Tag Urlaub zu nehmen, um eine Fahrkarte zu kaufen. Der Schüler mit einem Berechtigungsschein des Schulträgers ist auch weiterhin auf den Schalter angewiesen, da der Automat keine Berechtigungsscheine "frisst". Warum öffnet DB Reise&Touristik AG dann erst um 8.30 Uhr? In einer Ortschaft mit starkem Fremdenverkehr war der Schalterdienst am Wochenende bisher alles andere als "tote Hose". Wo werden diese Fahrgäste in Zukunft ihre Ansprechpartner finden?

Es ist außerordentlich zweifelhaft, ob die am Schalter abgewiesene Kundschaft in vollem Umfang auf den Automaten am Bahnsteig ausweichen wird. Er kann als stummer Knecht eben nur einen Teilaspekt der notwendigen Dienstleistung abdecken. Viele Merkmale der bisherigen Beratungsgespräche werden am Automaten ignoriert. Damit ist das Ende abzusehen. Ein geringfügiger Rückgang des Umsatzes reicht ja bereits, um die Berechtigung einer Personalstelle für den Schalterdienst infrage zu stellen. Die vollständige Schließung des Schalters ist also nur noch eine Frage der Zeit.

Die beiden Buchstaben "AG" als Anhängsel von "DB" erweisen sich immer deutlicher als Garant für die Distanz zwischen dem Dienstleistungsanbieter DB und der Kundschaft. Die Anwesenheit von Personal an den Bahnhöfen und in den Zügen wird lediglich als Ballast für die Unternehmensbilanz gesehen. Die Horrorvorstellung von Bahnhöfen und Haltepunkten ohne jede Kontaktmöglichkeit zu Eisenbahnern ist ja bereits an vielen Orten Realität. Ein Unternehmen, dass so mit seinen Kunden und Fahrgästen umspringt, hat in der angestrebten Dienstleistungsgesellschaft nichts zu suchen. Soll es doch an der Börse vergammeln!
 

Fdl am Fahrkartenschalter

Kapitel 3: Marginalien

Die beiden vorausgegangenen Sätze leiten über zu den persönlichen Randbemerkungen zum Thema.

Ich brauche den Bahnhof meiner Stadt. Über 30.000 Mal sind in den vergangenen 18 Jahren (solange wohnen wir hier) Mitglieder meiner Familie an diesem Bahnhof mit dem Zug abgefahren oder angekommen. Über 100.000 DM (deutlich über 50.000 EUR) haben wir zusammen am Fahrkartenschalter gelassen. Ungezählte Male wären wir ohne Beratung und Hilfe nicht weiter gekommen. Das Foto oben erinnert mich an Situationen, bei denen eine telefonische Anfrage ganz einfach nur Ängste genommen hat. Hier ein Beispiel: "Meine Tochter sollte schon längst aus Freiburg zuhause sein, hat denn der Zug Verspätung?" - "Die Züge von Freiburg sind wegen einer Betriebsstörung leider alle verspätet, der nächste Anschluss in Offenburg wird aber warten. Dieser Zug soll gegen 21.40 Uhr hier ankommen."

Es gibt keinen kompetenteren Ansprechpartner für die den Betrieb betreffenden Fragen, als den Fahrdienstleiter vor Ort. Er weiß viel besser, als ein Mitarbeiter am Servicepoint der größeren Bahnhöfe, wie die Betriebssituation einzuschätzen ist. Andererseits hat sich in den vielen Jahren, die ich als Kunde am Schalter aufgetaucht bin, der Kenntnisstand der Mitarbeiter von DB Netz bezüglich der tariflichen und verkehrlichen Fragen immer als hervorragend erwiesen. Ihre Kompetenz liegt seit dem 1. Januar brach, was sehr zu bedauern ist. Dass diese Kompetenz seitens des Unternehmensbereichs DB R&T in Zweifel gezogen wird, ist unverschämt.

Anmerkung zum Beispiel Gengenbach: Im Zusammenhang mit den teilweise nicht besonders freundlichen Äußerungen über das Verhalten von DB R&T soll kein Missverständnis entstehen. Die betreffenden Mitarbeiter dieses Unternehmensbereichs vor Ort am Fahrkartenschalter in Gengenbach haben seit vielen Jahren mit großem Engagement tadellose Arbeit geleistet!


Fdl am Fahrkartenschalter Übrigens: es geht auch ohne Beteiligung von Mitarbeitern der DB R&T, wie das Foto rechts (Biberach / Baden) zeigt. Das Bild entstand an einem Wochenfeiertag (Gengenbach geschlossen) bei miserablem Wetter. Aber am Schalter war immer etwas los...
 
 
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